Freitag, 1. Dezember 2023
Ich war 18 als ich zum ersten Mal Samstag abends ins Stairways im Schanzenviertel fuhr.

Das Stairways spielte hauptsächlich Indie-Zeug, nicht ganz so dark wie das Kir, nicht so cool wie das Front. Schräg gegenüber war das Pickenpack. Nette Indie-Normalos, bisschen schräg, ein bisschen irgendwo dazwischen. Zwischen irgend etwas, für das man keinen Namen hatte. Nicht so wie heute, mit Kürzeln und formulierten Identitäten und allem Drum und Dran.

Ich tanze die Nacht durch.

Ein paar Nächte später verliebte ich mich in eine Frau, ein Mädchen. Junge, Mann, Frau, Mädchen ... was waren wir eigentlich?! Achtzehn und unreif. Gerade mal am Anfang von irgend etwas. Ich verliebte mich in ihr Aussehen, in ihren Look, in ihren Style.

Ich sprach sie nicht an, weil ich zu schüchtern war; mein Freund sprach sie für mich an ohne dass ich es wusste. "Sie will sich mit dir treffen", sagte er zu mir.

Ich traf mich mit ihr, ich besuchte sie zuhause in ihrem Zimmer. Es war einschmaler, kleiner Raum, ich saß auf einem Sessel an einem Ende des Raumes, sie saß auf dem Boden am anderen Ende. Wie konnte so ein hübsches Mädchen so ein kleines, normales Zimmer haben?!

Sie redete von Musik, sie redete von Marc Almond und Erasure. Sie redete von nichts anderem und war ein großer Fan. Sie hatte ein Fotoalbum, das sie mir auf dem Schoß legte und für mich durchblätterte. Sie erzählte mir von deren Auftritten und dass Andy Bell in Kleidern auftrat und wie toll sie das fand. Von Marc Almond war sie ein großer Fan.

Sie sagte, dass ich doch mal kommen könne, wenn sie mit ihren Freunden zusammen Videos von deren Auftritten ansah.

Ich ging irgendwann nach Hause und traf sie nie wieder. Ich Idiot. Ich war leicht verstört. Fan sein hatte etwas Obsessives. Ich weiß nicht, ob ich "Der Fan" mit Désirée Nosbusch damals gesehen hatte, aber der Film sagte mir was. Nimm dich in acht vor Fans.

Ich kaufte mir ein Album von Marc Almond.

1991 kam "Tenement Symphony" von Marc Almond raus, 1994 "I Say I Say I Say" von Erasure. Beide Alben zählen heute noch zu meinen Lieblingsalben. In den paar Jährchen dazwischen ist viel mit mir passiert. Ich lernte Sexualität praktisch kennen, aber da war es zu spät. Zu spät für das Mädchen mit dem Sammelalbum. Noch heute weiß ich ganz genau, wie ihr Zimmer aussah, so normal, so ganz normal, aber ihre Leidenschaft, die hätte ich geteilt, nur wusste ich das damals noch nicht.

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